Die NIS2-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2555), die im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, ist ein bahnbrechender Rechtsakt, mit dem das erste horizontale Instrument für Cybersicherheit in der EU geschaffen wird. Ein horizontales Instrument gilt für alle Sektoren und Branchen, nicht nur für einige wenige.
Vor der NIS2 legte die ursprüngliche NIS-Richtlinie den Grundstein für die Zusammenarbeit im Bereich der Cybersicherheit in der EU. Das rasante Tempo der digitalen Transformation und die harte Realität, die durch die Coronapandemie zutage traten, zeigten jedoch die Grenzen des Vorgängers auf:
Aufgrund der o. a. Einschränkungen erkannte die Europäische Kommission die Notwendigkeit einer zukunftssicheren Lösung und formulierte die NIS2-Richtlinie, um die allgemeine Sicherheitslage der EU zu verbessern.
Hier finden Sie eine Übersicht über die wichtigsten Anforderungen von NIS2:
In den Leitlinien der zuständigen Behörden werden die 10 wichtigsten Maßnahmen beschrieben:
Gemäß den Leitlinien müssen alle Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu Risiko, Umfang, Kosten sowie Auswirkungen und Schwere der Vorfälle stehen und den Stand der Technik sowie gegebenenfalls relevante europäische und internationale Standards berücksichtigen.
In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten Merkmale von NIS und NIS2 verglichen:
Umfang
Konzentriert sich auf Betreiber wesentlicher Dienste (OES; Operators of Essential Services) in bestimmten Sektoren wie Energie, Verkehr und Gesundheitswesen
Erweitert, um nicht nur wesentliche Einrichtungen, sondern auch wichtige Einrichtungen (IEs; Important Entities) einzubeziehen
Sicherheitsanforderungen
Enthält Grundniveau für das Risikomanagement und das Melden von Sicherheitsvorfällen
Schreibt strengere und spezifischere Sicherheitsmaßnahmen für technische, betriebliche und organisatorische Aspekte vor
Meldung von Sicherheitsvorfällen
Meldung signifikanter Vorfälle erforderlich, aber Zeitrahmen und Details unklar
Schreibt strengere Zeitrahmen für die Meldung signifikanter Sicherheitsvorfälle sowie detailliertere Informationen vor
Durchsetzung
Flexibilität für Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung
Harmonisierter Ansatz in der gesamten EU mit strengeren Durchsetzungsmechanismen und Potenzial für erhebliche Geldbußen bei Non-Compliance
Lieferkettensicherheit
Keine besonderen Anforderungen
Verlangt von Organisationen, den Cybersicherheitsstatus ihrer Lieferanten zu bewerten
Informationsaustausch
Begrenzte Zusammenarbeit zwischen Mitgliedsstaaten
Fördert mehr Informationsaustausch und Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Behörden
Um die laufende NIS2-Compliance zu gewährleisten, sind die zuständigen Behörden befugt, potenzielle Verstöße zu untersuchen. Während solcher Untersuchungen dürfen sie jede beliebige der folgenden Maßnahmen ergreifen:
Es ist wichtig zu wissen, dass für wichtige Einrichtungen diese Untersuchungsmaßnahmen erst nach einem Vorfall ergriffen werden dürfen. Bei essenziellen Einrichtungen, die zu den kritischen Infrastrukturen gehören, können die zuständigen Behörden diese Maßnahmen auch je nach Bedarf einsetzen, um die kontinuierliche Einhaltung der NIS2-Anforderungen zu gewährleisten – sogar bevor es zu einem Verstoß kommt.
NIS2 schreibt Sicherheitsmaßnahmen für alle Organisationen vor, die gemäß der Richtlinie als „wesentlich“ oder „wichtig“ eingestuft werden. Einfacher ausgedrückt: Wenn die Öffentlichkeit tagtäglich von den Produkten oder Dienstleistungen einer Organisation abhängig ist, muss die Organisation die NIS2-Regeln einhalten.
Beispiele für wesentliche Einrichtungen sind: Energie, Verkehr, Bankwesen, Finanzmarktinfrastrukturen, Gesundheitswesen, Trinkwasser, Abwasser und digitale Infrastruktur.
Beispiele für wichtige Einrichtungen sind: Post- und Kurierdienste, Chemie, Lebensmittel, Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren, Abfallwirtschaftung und Forschung.
Zusätzlich zu den wesentlichen und wichtigen Organisationen in der EU gilt die NIS2 auch für bestimmte Nicht-EU-Einrichtungen, die Dienstleistungen in der EU anbieten. Dazu gehören: DNS-Diensteanbeiter, Diensteanbieter für Cloud Computing und Rechenzentren, Namensregister der Domäne oberster Stufe (TLD; Top-Level-Domain), Managed Service Provider (MSPs; Anbieter verwalteter Dienste), Content Delivery Network(CDN)-Anbieter (Betreiber von Inhaltszustellnetzen) und Anbieter von Online-Marktplätzen.
NIS2 ist eine umfassende Cybersicherheitsrichtlinie, die darauf abzielt, den allgemeinen Ausblick der EU hinsichtlich Sicherheit zu verbessern. Wenn es sich bei Ihrer Organisation um eine wichtige oder wesentliche Einrichtung gemäß NIS2 handelt, sollten Sie die Einführung strengerer Cybersicherheitsmaßnahmen zum Schutz Ihrer kritischen Systeme und Dienstleistungen in Betracht ziehen. Das macht Sie nicht nur widerstandsfähiger gegen Cyberangriffe, sondern trägt auch zu einer sichereren digitalen Landschaft in der gesamten Europäischen Union bei.
Die EU-Mitgliedsstaaten sind nun dabei, die NIS2-Richtlinie bis zum 17. Oktober 2024 in ihre eigenen Verordnungen umzusetzen (zu übernehmen), wobei die Verordnungen am nächsten Tag, dem 18. Oktober 2024, in Kraft treten. Es wird erwartet, dass diese nationalen Verordnungen detailliertere Angaben zu den technischen Aspekten der Richtlinie enthalten und weitere Hinweise zur Compliance gegeben werden.